Joseph Joachim: Identities / Identitäten
International bilingual Conference | Hochschule für Musik Karlsruhe | 3 - 5 April 2020
Joseph Joachim, das Joachim-Quartett und der Ungarische Stil
Abstract
Das bereits seit dem 18. Jahrhundert weit verbreitete Interesse von Komponisten sich mit Fragen des nationalen Stils auseinanderzusetzen hält auch im 19. Jahrhundert weiter an. So zeigte der aus Kitsee in Burgenland gebürtige Joseph Joachim stets ein besonderes Interesse für die Musik seines Nachbarlandes Ungarn. Dieses Interesse wurde in ihm bereits von Kindheit auf durch seinen aus Pest stammenden Geigenlehrer Joseph Böhm wach gerufen und in den frühen Jahren seiner Karriere als Geigenvirtuose noch wesentlich vertieft. Einerseits trat Joachim mit seinem 1869 ins Leben gerufenen Joachim-Quartett gerade im Quartettrepertoire von Joseph Haydn, der in seinen Kammermusikwerken häufig auf ungarische Melodien zurückgriff (wie zum Beispiel in Opus 20), an die Öffentlichkeit, u.a. mit Konzerten in der Singakademie in Berlin. Andererseits setzte sich Joachim auch mit den Ungarischen Tänzen für Orchester (WoO 1) seines Freundes Johannes Brahms, auseinander, von denen er jene von ihm als “ureigenste Brahmse” bezeichneten Tänze 11, 14 und 16 für Geige und Klavier bearbeitete (vgl. Handschrift in Hamburg, Staats- und Universitätsbibliothek, wohl als Verbeugung vor Brahms’ erfolgreichen Integration ungarischer Volksweisen in seine Musik. Ein Exemplar der 1871-1880 in Berlin erschienenen Brahms-Bearbeitungen Joachims befindet sich heute im Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Bereits 1857 hatte Joachim ein dreisätziges, auf der Anlage der Wiener Klassik beruhendes Konzert in ungarischer Weise in D-Dur für Violine und Orchester, op. 11 komponiert, in dem er seiner beeindruckenden Technik freien Lauf läßt. Joachim dürfte die Anregung zu seinem Finale alla Zingara dieses Violinkonzertes wohl unmittelbar aus dem dritten Satz (Allegretto alla zingarese) von Haydns Streichquartett in D-Dur, op. 20, Nr. 4 (Hob. IX:28) erhalten haben ¾ jenes Werk das zum Repertoire des Joachim-Quartett gehörte und in der Singakademie in Berlin gespielt wurde. In seinem bedeutenden Beitrag als Geigenvirtuose, Komponist und Bearbeiter setzt Joseph Joachim die in Ungarn bereits 1845 mit Franz Liszts 19 Ungarischen Rhapsodien für Klavier (von denen später fünf Rhapsodien orchestriert wurden) ins Leben gerufene Tradition in der Verknüpfung von tradiertem Volksliedgut und deren Popularisierung durch das Einbinden in den romantischen durch eine erhöhte Virtuosität ausgewiesenen Satzspiegel fort.
Biography
Walter Kurt Kreyszig (M.A., Western University; M.Phil. und Dr. Phil., Yale University) ist Professor Emeritus fur Musikwissenschaft an der University of Saskatchewan, Fellow of the American Biographical Center (Raleigh, North Carolina), a Deputy Director General of the International Biographical Center (Cambridge, United Kingdom), Membro Onorario del Comitato Scientifico “Dono Delius”, Conservatorio di musica “Niccolò Paganini” (Genua, und Life Member der Internationalen Gesellschaft für Musikwissenschaft und American Musicological Society. Seine Veröffentlichungen zur Musikgeschichte des 18. und 19. Jahrhunderts erschienen u.a. in Ad Parnassum: A Journal of Eighteenth and Nineteenth-Century Instrumental Music, Boccherini Studies, Il Paganini: Quaderno del Conservatorio “Niccolò Paganini” di Genova, Jahrbuch fur Internationale Germanistik, Kulturgeschichte Preussens: Colloquien, Mozart-Jahrbuch, Musicologica Austriaca, Reihe Wissenschaft und Kunst (Heidelberg), Revista de Musicologia, RILM Perspectives, Saarbrücker Studien zur Musikwissenschaft, Schriften des Händel-Hauses, Speculum musicae, Studien zur Musikwissenschaft: Beihefte der Denkmäler der Tonkunst in Österreich Studies in Italian Music History, Studies in Music from the University of Western Ontario, Telemann-Konferenzberichte, Varia Musicologica, Wiener Veröffentlichungen zur Theorie und Interpretation der Musik, Wissenschaftliche Abhandlungen/Musicological Studies, in Festschriften (u.a. Gernot Gruber, Christian Speck) und Enzyklopädien (u.a. Die Musik in Geschichte und Gegenwart [1992-2008]; Cambridge Handel Encyclopedia [2009].